Location-based Services – Die Retter des stationären Handels? [Interview]

Im Interview mit Benjamin Thym, CEO der Offerista Group

Location-based Services sind in aller Munde: Häufig werden sie als Retter des stationären Handels gefeiert, der seine Kunden dank der standortbasierten Dienste mit Informationen und Angeboten passend zu ihrem Aufenthaltsort ansprechen kann. Doch andererseits konnten Hype-Technologien wie zum Beispiel Beacons die in sie gesetzten Erwartungen bisher nicht erfüllen.

Was können wir zukünftig von Location-based Services erwarten? Wo sind sie nützlich und welche Hürden gilt es noch zu nehmen? Darüber haben wir mit einem Experten der Branche gesprochen: Benjamin Thym ist Gründer des Dienstes barcoo und seit der Fusion von barcoo und Marktjagd im Jahr 2016 Geschäftsführer des gemeinsamen Unternehmens Offerista Group. Sein Ziel ist es, Händler und Hersteller mit digitalen, standortbasierten Diensten dabei   zu unterstützen, Kunden für ihre Filialen zu gewinnen und ihre Umsätze zu steigern.

Möglichkeiten des standortbezogenen Marketings an – u.a. digitale Prospekte und Push-Kampagnen.

Dafür bietet die Offerista Group mit ihren Apps barcoo und Marktjagd Händlern und Herstellern verschiedene Möglichkeiten des standortbezogenen Marketings an – u.a. digitale Prospekte und Push-Kampagnen.

Was versteht man unter Location-based Services? Welche Vorteile und Chancen bieten sie für Unternehmen?

Zentrales Merkmal von Location-based Services ist die Nutzung von Standortinformationen der Zielgruppe, um sie mit passenden Informationen oder relevanter Werbung anzusprechen. Das verdeutlicht auch gleich die größte Stärke der Technologie: Die Inhalte passen genau zu der Situation, in der sich der Nutzer gerade befindet, und sind für ihn hochgradig relevant. So steigt die Akzeptanz von mobiler Werbung deutlich, denn sie wird als nützliche Information mit Mehrwert wahrgenommen.

Für Unternehmen ist das eine richtig gute Nachricht, denn wer auf Location-based Services setzt, muss sein Marketingbudget nicht länger mit der Gießkanne verteilen. Teure, nicht zielgerichtete und schlecht messbare Werbeformate – etwa klassische TV- oder Plakatwerbung – gehören damit der Vergangenheit an und werden ersetzt durch personalisierte, relevante Werbeformen, die echten Mehrwert bieten, z.B. individuelle Push-Nachrichten aufs Smartphone und intelligente, interaktive Plakate.

Für welche Unternehmen und welche Zielsetzungen und Anwendungsgebiete eignen sich Location-based Services ganz besonders?

Als Dienstleister für lokale Händler und Markenhersteller fokussieren wir uns vor allem auf den großen Nutzen von Location-based Services für den stationären Handel. Dort werden standortbasierte Dienste etwa zur Shopper-Aktivierung eingesetzt: Potenzielle Kunden erhalten zum Beispiel Push-Nachrichten mit besonderen Angeboten, Rabatten und Specials, wenn sie sich in der Nähe einer Filiale aufhalten. So gewinnen die Händler neue Kunden für sich, erhöhen die Frequenz und den Abverkauf in ihren Filialen und bieten gleichzeitig ihren Kunden ein optimales Shopping-Erlebnis. Ganz ähnlich lässt sich aber natürlich auch für andere lokale Unternehmen wie Restaurants oder Dienstleister denken. Es ist übrigens ein Trugschluss, dass nur große Unternehmen Location-based Services sinnvoll und gewinnbringend nutzen könnten. Auch für kleinere Unternehmen kann das Sinn machen – sie brauchen dafür lediglich einen starken Partner, über den sie eine relevante lokale Reichweite erzielen.

Ganz praktisch gefragt: Die Möglichkeiten, Location-based Services für das eigene Unternehmen zu nutzen, sind vielfältig und teilweise unübersichtlich. Womit sollten lokale Unternehmen am besten anfangen?

Lokale Unternehmen, die bisher noch kein Online- und Mobile-Marketing betreiben, sollten sich als erstes klar machen, was ihr Ziel ist: Nämlich, online sichtbarer zu werden, damit potenzielle Kunden, die sich gerade in der Nähe aufhalten, das Unternehmen auch finden können, wenn sie auf ihrem Smartphone nach einem passenden Geschäft oder Dienstleister in der Nähe suchen. Das erreichen sie, in dem sie an allen wirklich relevanten Stellen online präsent sind.

Dazu gehören zunächst einmal eine gut gepflegte Webseite, aber auch eine Präsenz in reichweitenstarken sozialen Netzwerken. Wer sich dann noch um seine Einträge bei Google My Business und in den für das eigene Unternehmen wichtigsten Onlineplattformen (auch über Dienste wie DeutschlandListing) kümmert, hat mit wenig Aufwand und Budget schon sehr viel erreicht. Diese und weitere Strategien für mehr Online-Sichtbarkeit für lokale Unternehmen stellen wir übrigens in diesem kostenfreien Whitepaper vor.

Glauben Sie, dass Location-based Services eine realistische Möglichkeit für lokale Unternehmen in Deutschland sind, um dem Druck von Online-Unternehmen entgegenzuwirken?

Location-based Services ermöglichen es lokalen Unternehmen, effiziente Wege der Zielgruppenansprache und des Targetings zu nutzen, wie man sie bisher nur aus dem Online-Handel kannte. Damit das wirklich funktioniert, braucht es aber eine konsequente digitale Ausrichtung – ein “Weiter so!” und nur hier und da mal ein digitales Feigenblatt wird ihnen nicht helfen, sich gegenüber dem Online-Handel zu behaupten.

Digitalisierung kann für sie der große Game Changer sein, wenn sie bereit sind, ihre Strategien und Prozesse grundlegend zu überdenken. Da wird in manchen Bereichen kein Stein mehr auf dem anderen bleiben und das ist auch gut so. Die digitalen Möglichkeiten sind da und warten darauf, genutzt zu werden! Die gute Nachricht ist aber: Es wird Händler geben, die das hinbekommen und die es verstehen werden, die digitalen Chancen mit den klassischen Stärken des stationären Handels zu verbinden, etwa der Beratungskompetenz und dem individuellen Service. In diesen Läden werden Kunden auch zukünftig gern vor Ort einkaufen.

Wie hoch ist die Akzeptanz von Location-based Services bei Verbrauchern? Wo gibt es noch Schwierigkeiten und wie können Unternehmen diese lösen?

Die Akzeptanz steigt kontinuierlich, da Smartphone-Nutzer immer mehr Vorteile für sich erkennen. Es ist einfach komfortabel und nützlich, passend zum eigenen Standort und Nutzungskontext mit Inhalten, Informationen oder Angeboten versorgt zu werden. Gleichzeitig sind deutsche Nutzer im internationalen Vergleich jedoch stärker auf Datenschutzaspekte bedacht. Darauf müssen sich Unternehmen einstellen und Lösungen finden, die die Sorgen der Nutzer ernst nehmen. Das heißt, dass sie möglichst datenarm arbeiten sollten. Zum anderen sollte die Bereitschaft, die Standortfreigabe zu aktivieren, belohnt werden, etwa durch Vergünstigungen oder exklusive Aktionen.

Welches wird in den nächsten Jahren der größte Trend im Bereich der Location-based Services sein?

Die EINE vielversprechende Lösung, den Trend, der für jedes Business passt, gibt es meiner Meinung nach nicht – eine “One fits all”-Herangehensweise wäre sogar kontraproduktiv. Unternehmen sollten sich stattdessen fragen, was zu ihrem Geschäftsmodell, ihren Zielen und natürlich auch den Nutzungs- und Einkaufsgewohnheiten ihrer Kunden passt.

Gerade den lokalen Einzelhändlern bieten Location-based Services die Chance, gegenüber dem Online-Handel aufzuholen. Denn über standortbasierte Dienste können wir heute schon vergleichbare Technologien für Tracking, Targeting und Segmentierung anbieten, wie sie auch der Online-Handel nutzt. Man könnte es ein „digitales Tante-Emma-Prinzip“ nennen. Die digitale Welt kann Tante Emma, nur eben im modernen Gewand, in den lokalen Einzelhandel zurückbringen. Und das ist eine große Chance für stationäre Händler.

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